Das Märchen von den Einzelunternehmen

Podcast #1: Sprecher Johannes Albrecht

Es waren einmal Solo-Selbständige, Freiberufler, Einzelunternehmerinnen…
die lebten in einem friedlichen Land, wo jeder das arbeiten durfte, was er wollte. Und so wollten sie fortan keinen Chef mehr über sich haben, sondern selbstbestimmt arbeiten.

Sie nannten es „ihr Ding machen“.

Und so taten sie dies. Besuchten Meisterkurse, kauften sich schöne Türschilder und eröffneten ihre Lädchen, Büros und Behandlungsstübchen. Menschen kamen und staunten, ließen einiges mit sich geschehen und verließen meist froh das Geschäft.

So begab es sich jedoch nach einiger Zeit, dass die Selbständigen sehr viele verschiedene Aufgaben auf einmal zu erledigen hatten. In den Unternehmen mit den Chefs waren diese längst arbeitsteilig organisiert.
Da gab es die Buchhaltung, die Personalabteilung, Marketing und Verkauf, den Kundenservice und den Hausmeister. Die kleinen Selbständigen aber waren alles in einer Person, manche ihre eigene Sprechstundenhilfe oder Sekretärin. Dabei wollten sie eigentlich nur die Aufträge ihrer Kunden erfüllen oder Klienten behandeln…

Eine schaurige Geschichte, denn dabei ging es den Selbständigen wie Hänsel und Gretel: Sie verirrten sich im Wald, ließen sich durch die vielen Aufgaben ablenken und landeten bei der Hexe im Käfig – im Hamsterradkäfig.
Wo es doch meist buchstäblich so zauberhaft begann: Sie sahen plötzlich eine Möglichkeit, das Leben der Menschen leichter, schöner, besser zu machen. Sie wollten wirklich etwas Neues in die Welt bringen. Und damit so wie ein „richtiges“ Unternehmen sein. Eine neue Methode, ein Kunstwerk oder Produkt, eine neue Lernform – etwas machen, das ihnen selbst und anderen Menschen Freude bringt.
Doch je länger die kleinen Selbständigen unterwegs waren, umso weiter kamen sie vom Weg ab. Der eine verlor sich in seiner Verkaufsabteilung und überlegte die ganze Zeit, wie er nur mehr Kunden anlocken könne. Die andere arbeitete soviel in ihrem Sekretariat, dass sie schon ganz müde war, bevor der erste Kunde kam. Und noch eine andere kam nicht mehr aus ihrer Forschungs- und Entwicklungsabteilung heraus, währenddessen die Leute darauf warteten, von ihr angesprochen zu werden.
Viele fanden nicht mehr zurück und arbeiteten bis sie umfielen oder die Hexe sie in den Ofen schob – heute sag man dazu Burnout.

Ein paar wenige aber, die hielten inne und dachten nach. „Müssen wir denn immer alles selbst erledigen und dabei immer müder werden?“ „Stop!“ Sagten sie. „So kann es nicht weitergehen.“
Und siehe da, den Selbständigen erschien eine gute Fee und erzählte ihnen eine Geschichte. Sie handelte von Einzellern.

„Schaut her, so geht es in der Natur: die kleinen Zellen wachsen bis es nicht mehr geht. Und dann geschieht etwas Magisches: Die Zellen teilen sich. Aus einer Zelle werden zwei, aus zwei werden vier und so weiter. Dabei bekommt jede Zelle einen Bauplan mit, damit sie weiß, was sie machen soll.  Manche Zellen spezialisieren sich und bauen richtige Organe. Andere sind immer unterwegs und liefern Energie. Alle arbeiten zusammen und erschaffen so einen ganz neuen Organismus. So dass alle Aufgaben, die im Bauplan geschrieben stehen, bestens erfüllt werden. Wenn der Bauplan immer richtig weitergegeben wurde, dann wird etwas Wunderschönes daraus. 

 

 

 

 

 

 

 

 

Soweit die Geschichte und das Märchen. In der Wirklichkeit der Selbständigkeit beginnt die Zellteilung damit, Aufgaben zu delegieren, man sucht sich Hilfe. Einen Partner der sich mit Buchhaltung auskennt. Einen Kollegen, mit dem man sich Aufträge teilt. Diese Kooperation ist die einfachste Art, wie man den  Wachstumsdruck reduzieren kann.
Das ist jedoch eine Pseudo-Zellteilung, denn in diesem Stadium ist man im Wesentlichen noch Einzeller, nichts läuft ohne den Einzel-Unternehmer. Erst wenn eine Organisation entsteht, die auch ohne den Gründer funktioniert, wird  die DNA multipliziert, beginnt eine richtige Zellteilung.
Eine Organisation zu erschaffen ist kein Selbstzweck. Ein Unternehmen zu gründen, heißt, das volle Potential deiner Geschäftsidee  auszuschöpfen. Das ist, wofür Organisationen existieren. Etwas auf einen hohen Niveau funktionieren zu lassen, das so von Einzelnen nie erreicht werden kann. Und die auch funktioniert, wenn Einzelne gerade nicht arbeiten wollen. Wie in der Natur, so in der Ökonomie.
Damit eine gesunde Organisation entstehen kann, braucht es vor allem gemeinsame Motive. Eine gemeinsame DNA. Das ist die Unternehmenskultur, die gelebten Werte, Normen und Ziele.
Darum ist es entscheidend, Partner mit ähnlicher DNA zu finden. Das kann manchmal länger dauern. Man darf da sehr wählerisch und konsequent sein. Umso gesünder ist nachher die Basis für unternehmerisches Wachstum, dafür, dass etwas Neues in die Welt gebracht wird.

So können aus kleinen Selbständigen richtige Entrepreneure werden.
Und die anderen Einzeller? Wenn sie nicht gestorben sind, arbeiten sie noch heute.

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